Stellungnahme/ Redebeitrag vom kulturpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Mario Bocks, zum Antrag der GroKo im Kulturausschuss zum Mahnmal für Deserteure bzw. den Opfern der NS-Militärjustiz. Es zählt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine Damen und Herren!
Der Antrag der GroKo ist ein Antrag mit Licht und Schatten. Zuerst möchte ich was zum Schatten sagen. Nach dem beindruckenden und bewegenden Vortrag von Herrn Dr. Döhmen konnte man in den anschließenden Stellungnahmen und Redebeiträgen von allen Fraktionen und Parteien im Ausschuss Zustimmung zu dieser Schenkung "Mahnmal für Deserteure" feststellen. Herr Breymann wies auch zurecht darauf hin, dass sich dieses sensible Thema nicht für Parteiprofilierungen eigne und bekam ebenfalls hier von allen Zustimmung. Umso erstaunter bin ich nun darüber, dass mir hier jetzt keine Verwaltungsvorlage vorliegt, sondern ein Parteienantrag der GroKo - und damit jetzt genau das passiert was Herr Breymann vorweg anprangerte. Nämlich Parteienprofilierung! Weder ist die Schenkung noch das Thema ein "GroKo-Thema". Beide Parteien haben nichts damit zu tun. Hier hätte ich mir gewünscht, die antragstellenden Parteien hätten im Vorfeld die anderen Fraktionen und Parteien bezüglich einer gemeinsamen Erklärung oder eines Antrages mit einbezogen. Dies muss ich klar und deutlich kritisieren. Dann hätten wir uns jetzt die Diskussion hier sparen können.
Nun zum Licht. Obwohl ich eben Herrn Breymann kritisiert habe, kann ich mir auch ein Lob nicht ersparen. Die damaligen geäußerten Bedenken von ihm, dass er diese Schenkung unterstütze aber diese noch in die Fraktion tragen müsse, sind nun beiseite geräumt. Der vorliegende Antrag ist ein Zeichen dafür, dass er sich durchgesetzt hat. Auch wenn statt eines Antrages eine mündliche Berichterstattung ausgereicht hätte.
Zu den in der Beschlussvorlage des Antrages vorgeschlagenen Plakettentextes habe ich dann recherchiert und möchte Ihnen einige Worte dazu nicht vorenthalten. Allgemein wäre Mönchengladbach die 15. Stadt, welche ein solches Denk bzw. Mahnmal aufstellen würde. 14 Städte haben dies bereits getan und 16 weitere Städte haben zu diesem Thema Gedenktafeln und Straßenbenennungen aufgestellt und vorgenommen. Herausragend ist dabei vor allem in Tübingen die Straßenbenennung "Platz des unbekannten Deserteurs". Zu den Städten gehören u.a. Berlin, Hannover, Stuttgart, Köln, Ulm, Marburg, Bremen, Bernau, die KZ-Gedenkstätte Buchenwald oder Hamburg, um mal einige zu nennen. Der in dem Antrag vorgeschlagene Text "Den Opfern der NS-Militärjustiz" kann ich vorbehaltslos zustimmen. Ich kenne die Bedeutung des Begriffes und auch welche Menschen damit gemeint sind. Allerdings würde ich trotzdem eine geringfügige Ergänzung vorschlagen bzw. darum bitten. Bei meiner Recherche habe ich am Beispiel der Stadt Stuttgart feststellen können, dass dort das Interesse von Jugendlichen, Schülerinnen und Schülern sowie von jungen Erwachsenen bei der Begleitung des Aufstellungsprozesses des dortigen Mahnmals nicht nur sehr groß war, sondern - und das ist für mich das ausschlaggebende - die jungen Leute dort den Begriff NS-Militärjustiz nicht im Zusammenhang mit Deserteuren bringen konnten. Das können wir von vornherein mit der von mir nachher genannten Ergänzung von vorneherein ausschließen.
Und der zweite zu erwähnende Grund für eine geringfügige Ergänzung liegt für mich darin, dass es zum Beispiel in Wien zu dem dortigen Mahnmal eine kontroverse Diskussion seitens der Erzkonservativen, vorwiegend durch FPÖ-Mitglieder, gegeben hat, die in Richtung des ehemaligen NS-Marinerichters und ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Fillbinger, argumentierten. der den unseligen Spruch, sie kennen ihn alle, "Was früher Recht war, kann heute kein Unrecht sein" bis zu seinem Lebensende verteidigte und damit ausdrückte, dass vor allem Fahnenflüchtlinge und Deserteure von vielen Konservativen heute noch als "Volksverräter" und "Volksschädlinge" angesehen werden. Gottseidank sind wir hier über eine solche Diskussion weit hinaus und das Wort Deserteure ist hier schon lange kein Schimpfwort mehr. Daher möchte ich die im Text vorgeschlagene Replika aus Erfurt wie folgt ergänzen. An Stelle des jetzigen Textes "Den Opfern der NS-Militärjustiz" sollte der Plakettentext geringfügig ergänzt "Den Wehrmachtsdeserteuren und den Opfern der NS-Militärjustiz" lauten.
Mit dieser geringfügigen Änderung würden wir nicht nur dem Text in der Antragsvorlage genügen, wir würden auch dem Anliegen von Dr. Döhmen gerecht werden, der seine Schenkung unter der Überschrift "Mahnmal für Deserteure" vorgestellt hatte und darüber hinaus auch den Kontext für Jugendliche und junge Erwachsene herstellen, eine grundlegend verbesserte Möglichkeit zur Information und zur Recherche zu geben. Warum soll ein Mahnmal für Deserteure nicht das Wort Deserteure beinhalten? Ich bitte die Antragsteller um eine Antwort, ob sie meiner Bitte um der vorgeschlagenen geringfügigen Ergänzung nachkommen möchten.
Anmerkung:
Meiner Bitte wurde nicht nachgekommen.
Die von Herrn Breymann in der nachfolgenden Diskussion gemachte Aussage, der vortragende Herr Dr. Döhmen hätte das Wort Deserteure in seinem Vortrag gar nicht erwähnt, ist falsch. Er hat sich nicht nur klar ausgedrückt in seinem Vortrag. Auch die von ihm zur Verfügung gestellten schriftlichen Unterlagen zu seinem Vortrag hatten die Überschrift "Mahnmal für Deserteure". Der Hinweis von Herrn Schroeren, die Benennung der Deserteure im Plakettentext würden die Opfer in Opfern erster und zweiter Klasse unterteilen, ist - vornehm ausgedrückt - nicht interpretationswürdig. Nur Konservative können auf die Idee kommen, Naziopfer in Klassen aufzuteilen. Bei seinem Hinweis auf Graf Stauffenberg als Opfer der NS-Militärdiktatur, vergaß er zu erwähnen, dass Stauffenberg zwar Hitler töten wollte, aber nicht den Nationalsozialismus abschaffen wollte.