Wie sieht in der Stadt das Beteiligungsverfahren des SGB XII aus?
Guten Tag,
bis zum 31.12.2021 waren die Träger der Sozialhilfe in NRW dazu verpflichtet, gemäß der Regelung des §116 SGB XII beim Erlass von Verwaltungsvorschriften und im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte zu beteiligen. Aufgrund des Dritten Gesetzes zur Änderung des Landesausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, veröffentlich am 14.12.2021, wird den Trägern der Sozialhilfe freiwillig überlassen, ob sie dieses Instrument ab dem 1.1.2022 weiterführen.
Aus diesem Anlass fragen wir:
1. Beteiligt Mönchengladbach seit dem 1.1.2022 weiterhin sozial erfahrene Dritte beim Erlass von Verwaltungsvorschriften? Wenn nein, warum nicht?
2. Beteiligt Mönchengladbach seit dem 1.1.2022 weiterhin sozial erfahrene Dritte im Widerspruchsverfahren? Wenn nein, warum nicht?
3. Von welchen Trägern wurden im Jahr 2021 sozial erfahrene Dritte gemäß §116 SGB XII berufen?
4. Am Erlass wie vieler Verwaltungsvorschriften waren sozial erfahrene Dritte in Mönchengladbach jeweils in den Jahren 2019, 2020 und 2021 beteiligt?
5. In wie vielen Widerspruchsverfahren waren sozial erfahrene Dritte in Mönchengladbach jeweils in den Jahren 2019, 2020 und 2021 beteiligt?
Mit freundlichem Gruß
Torben Schultz
Information vom 2.3.2022: Die Anfrage wird in der Sitzung des Sozialausschuss am 19.3.2022 beantwortet, da das Thema eh auf der Tagesordnung stand.
Antwort vom 24.02.2022:
Sehr geehrter Herr Schultz,
wie bereits in unserem Mailverkehr kommuniziert ist für den nächsten Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Senioren und Gleichstellung ein thematisch überschneidender Beitrag vorgesehen. Ohne den Inhalt dieser Berichtsvorlage vorwegnehmen zu wollen, nehme ich auf Ihre Mail wie folgt Stellung
1. Beteiligt Mönchengladbach seit dem 01.01.2022 weiterhin sozial erfahrene Dritte beim Erlass von Verwaltungsvorschriften? Wenn nein, warum nicht?
Nach Absatz 1 des § 116 SGB XII sind vor dem Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften sozial erfahrene Dritte zu „hören“. Ein korrespondierender Absatz existierte bereits im Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Der Absatz 1 stellt insofern lediglich eine Verfahrensvorschrift dar. Der anzuhörende Dritte hat hierbei kein inhaltliches Mitwirkungs- oder gar Entscheidungsrecht. Die Gerichte sind an allgemeine Verwaltungsvorschriften nicht gebunden.
Im Rahmen des Leistungsrechts SGB II ist eine entsprechende Vorschrift nicht existent.
Tatsächlich erfolgte und erfolgt eine entsprechende Anhörung nicht. Zur Information ist darauf hinzuweisen, dass aktuell ca. 240 Arbeitsanweisungen existieren, die einer andauernden Überarbeitung unterliegen. Grundlage ist die Rechtsprechung bzw. die Erlass- und Hinweislage des Ministeriums. Die konstante „Überschüttung“ von, wenn auch sozial erfahrenen, so doch in ihrem beruflichen Umfeld nicht mit der unmittelbaren Rechtsausübung betrauten Personen, wird für nicht zielführend gehalten
2. Beteiligt Mönchengladbach seit dem 01.01.2022 weiterhin sozial erfahrene Dritte im Widerspruchsverfahren? Wenn nein, warum nicht?
Abweichend davon sind im Widerspruchsverfahren nach Absatz 2 des § 116 SGB XII sozial erfahrene Dritte „beratend zu beteiligen“.
Vor den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie fanden bei entsprechender Fallzahl ca. alle sechs bis acht Wochen Sitzungen statt, in denen die bestellten Personen oder ihre Vertretungen mit einer Vorbereitungszeit von einer Woche beratend gehört wurden. Seit dem Frühjahr 2020 findet die Beteiligung bei einer entsprechenden Fallzahl durch Einholung der Voten im Umlaufverfahren statt. Die Fristsetzung für den Rücklauf beträgt ebenfalls eine Woche.
Die Vorbereitung und Durchführung der Sitzungen bzw. der Umlaufverfahren sind mit einem hohen Aufwand verbunden. Durch die bisherige Pflicht zur Behandlung von Widerspruchsbescheiden konnten diese teilweise auch entgegen der Wünsche der leistungsberechtigten oder -begehrenden Personen nicht zeitnah erlassen werden.
Für die Entscheidung über einen Widerspruch wird der Behörde nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine angemessene Frist von drei Monaten gesetzt, ehe Klage erhoben werden kann. Durch das bisher verpflichtende Beteiligungsverfahren bestand aufgrund der erforderlichen Prozessabläufe das Risiko, diese Frist von drei Monaten zu erreichen oder zu überschreiten. Dies führte vereinzelt zu Untätigkeitsklagen.
In den vergangenen Jahren wurden aufgrund der Beteiligung der sozial erfahrenen Dritten keine Widerspruchsbescheide in fachlicher Hinsicht geändert.
3. Von welchen Trägern wurden im Jahr 2021 sozial erfahrene Dritte gemäß §116 SGB XII berufen?
Die Bestellung der sozial erfahrenen Dritten (drei Personen) erfolgte durch die Stadtverwaltung auf Vorschlag jeweils einer Person und jeweils einer Vertretung durch das Diakonische Werk Mönchengladbach e.V., das Arbeitslosenzentrum als Mitglied im Paritätischen Kreisgruppe Mönchengladbach sowie den Caritasverband Region Mönchengladbach e.V., zuletzt für die Amtsperiode vom 01.07.2021 bis einschließlich 30.06.2026.
4. Am Erlass wie vieler Verwaltungsvorschriften waren sozial erfahrene Dritte in Mönchengladbach jeweils in den Jahren 2019, 2020 und 2021 beteiligt?
s.o. keine
5. In wie vielen Widerspruchsverfahren waren sozial erfahrene Dritte in Mönchengladbach jeweils in den Jahren 2019, 2020 und 2021 beteiligt?
2019: 65
2020: 129
2021: 94