CDU & SPD: Geringes Durchschnittseinkommen oder Arbeitsmarktrisiko sind nicht das Problem, sondern der Mensch mit Niedriglohn und der Erwerbslose als hohes Arbeitsmarktrisiko
Unscheinbar kam der Tagesordnungspunkt 8 in der Sitzung der Bezirksvertretung Mönchengladbach-Nord am 31.08.2016 daher. Die Berichtsvorlage 1740/IX benannte als Thema „Städtebauliche Fördermaßnahme Mönchengladbach-Innenstadt“. Allerdings enthält diese Vorlage (Einzusehen im Ratsinformationssystem unter BV-Nord, Sitzungsdetails 15/ IX), unauffällig auf Seite 3 versteckt, hochexplosiven sozialen Sprengstoff, der in einem nicht mehr zu akzeptierenden und menschenverachtenden Selbstbild von CDU und SPD und des Vorlagenerstellers Dr.-Ing. Gregor Bonin mündet. Dort heißt es wortwörtlich:
Hinsichtlich der Sozialstruktur der im Untersuchungsgebiet wohnenden Menschen ist eine Kumulation von eher negativ zu bewertenden Faktoren festzustellen. Hierunter fallen u.a. ein geringes Durchschnittseinkommen und ein verhältnismäßig hohes Arbeitsmarktrisiko. Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund liegt deutlich über, das Durchschnittsalter deutlich unter den gesamtstädtischen Werten.
Die Bezeichnung dieser realen Negativfaktoren (bis auf den Migrationshintergrund) und der damit einhergehenden Zuordnung zu den betroffenen Menschen mag richtig sein, aber die Beseitigung dieser negativen Faktoren erreicht man nicht dadurch, dass man die Menschen dann aus ihrer Umgebung vertreiben möchte, nur weil ihre Umgebung auf einmal hip oder interessant für private Investoren geworden ist. Das bedeutet nichts anderes als dass die negative Konnotation der genannten Faktoren den Menschen und nicht dem gesellschaftlichen Problem zugeordnet werden. Gesellschaftliche Missstände wie Niedriglohn und Erwerbslosigkeit müssen politisch gelöst werden. Wie man allerdings einen Migrationshintergrund als zugeordneten 'Negativfaktor' bezeichnen kann, bleibt weiterhin unklar.
Aber damit nicht genug. Die unter dem Punkt Zielsetzung formulierte Kategorisierung von Menschen geht noch weiter. Zur Behebung dieser negativen Entwicklungen besteht laut Vorlage nun die Notwendigkeit für die Erarbeitung eines Handlungskonzeptes um auf eben diese negativen Entwicklungen zu reagieren. Weiter heißt es: Die Stärkung der Gladbacher Innenstadt und der angrenzenden Wohngebiete und die Beseitigung der Defizite...stellen dabei die Hauptzielsetzung dar. Für die GroKo steht allerdings nicht die Beseitigung des Defizites Niedriglohn im Fokus ihres Handelns, sondern die Verdrängung der Menschen mit dem Makel des geringen Einkommens.
In der Sitzung zeigten sich Dietmar Henkel und Mario Bocks (stimmberechtigte und beratende Mitglieder der BV-Nord für DIE LINKE.) schockiert über diese Vorlage. Bocks dazu: „Ich mag's gar nicht glauben, dass so etwas in einer öffentlichen Berichtsvorlage steht. Hier werden die 'Negativfaktoren' geringes Einkommen, hohes Arbeitsmarktrisiko und Migrationshintergrund gebündelt den betroffenen Menschen zugeschrieben
und als 'Defizite' beschrieben, welche beseitigt werden müssen. Gemeint sind Menschen und nicht die Defizite, wobei ich mich frage, was Migrationshintergrund für ein Defizit ist? So sieht also der von CDU und SPD und Herrn Bonin ausgesprochene Kampf um Kapital, Visionen, Ideen und Köpfe aus. Arme raus, Reiche rein. Vielleicht hat dieser Herr es noch nicht kapiert, aber als Planungs- und Baudezernent hat er für bezahlbare Wohnungen für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu sorgen, diese Entwicklung zu planen und dann möglichst umzusetzen. Er ist nicht als Angestellter der Stadt für private Investoren und deren maximale Profitgewinnung angeheuert worden. Er versteht definitiv seine Aufgabe nicht."
Weiter weißt die Linkspartei daraufhin, dass es bei dem angedachten Handlungsbedarf und deren Zielsetzung keinen Hinweis darauf gibt, was denn mit den betroffenen Menschen geschehen soll, wenn sie sich 'ihre' Umgebung nicht mehr leisten. Wo sollen sie hin? Das dadurch auch jahrzehntelange gewachsene Sozialstrukturen "integrierend" verschwinden, soziale Verbindungen gekappt und das bekannte Umfeld nicht mehr existent sind, scheint den Planern dieser "schönen neuen Welt" und Gentrifizierungsorgie nicht zu stören.
Die Linkspartei findet es zudem verwerflich, dass Menschen unter der Kategorie 'hohes Arbeitsmarktrisiko' eingeordnet werden. Es bedeutet schlichtweg, dass sich Personen ohne nennenswerten finanziellen Hintergrund die neuwertigen, hoch-qualitativen und aufwertenden Veränderungen und Bauten durch 'Kapitalinvestitionen' nicht leisten können. Dieser Begriff, aus der neoliberalen und kapitalistischen Mottenkiste entsprungen, ist vergleichbar menschenverachtend mit dem von der deutschen Bank geprägten Begriff des Menschen als Humankapital. Menschen sind weder ein Arbeitsmarktrisiko noch Humankapital. Hier zeigt sich in Begrifflichkeit und Bedeutung die unmenschliche Fratze des demokratiefeindlichen Kapitalismus leider auch in unserer Stadt.