Rede zum Haushalt 2018 in der BV-Nord / 22.11.2017 / Mario Bocks
(Es gilt das gesprochene Wort)
Wir lehnen diesen Haushalt ab. Punkt. Tja, es könnte so einfach sein, ist es aber nicht.
Sehr geehrter Herr Bezirksvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren,
werte Kolleginnen und Kollegen!
In diesem Jahr liegt erstmals seit 1993 ein ausgeglichener Haushalt vor! Das ist eine Premiere und auch das erste Mal, seit dem ich Mitglied in dieser Bezirksvertretung bin. Und das sind mittlerweile auch schon kalendarisch 9 Jahre. In all diesen Jahren wurde der Haushalt immer von dem Stadtkämmerer Herrn Kuckels eingebracht - und wie wir nun wissen, hat der Kämmerer in der letzten Ratssitzung seinen letzten Haushalt für die Stadt Mönchengladbach eingebracht. Trotz politisch unterschiedlicher Richtungen wird und wurde auch in der letzten Vergangenheit der Einsatz und die Arbeit sowie natürlich die fachliche Kompetenz nicht in Frage gestellt. Da Sie, Herr Kuckels, kein großes Tamtam zum Abschluss wünschen, sagen der Kollege Henkel und auch Ich im Namen der Partei DIE LINKE. und im Namen unserer Ratsfraktion daher herzlich Danke schön.
Zu den Umständen dieser Personalie möchte ich aber trotzdem noch etwas sagen. Wir finden es schon sehr befremdlich, wenn eine einzige Person einfach mal so beschließt, dass gute Arbeit, eine hohe Fachkompetenz und eine sehr hohe Identifizierung mit der Stadt Mönchengladbach eigentlich nichts wert ist, da nun mal das Parteibuchdenken vor Leistung steht. Ich finde es ebenfalls erstaunlich, dass Sie, meine Damen und meine Herren von der CDU, sich das so einfach gefallen lassen. Der Fraktionsvorsitzende ihrer Partei entscheidet - und sie folgen blind hinterher. Das ist beschämend für ihre Partei! Ich denke mal, bei einer Geheimabstimmung wären auch Stimmen für die "Nicht-Ausschreibung des Posten des Stadtkämmerers und des Stadtdirektors" von ihren im Rat sitzenden Vertretern gekommen.
Auch die SPD hat bei diesem Vorgang schlicht und ergreifend wieder mal das getan, was sie immer tut: Sie plätschert konturlos und ohne eigene Meinung und Richtung dahin! Warum tragen Sie das mit? Selbst ihr MdL Hans Willi Körfges sprach am Rande ihres Unterbezirksparteitages am Samstag von einem tiefen Bedauern und einem herben Verlust für die Stadt Mönchengladbach. Also nochmal: Warum tragen Sie das mit? Mein Rat, damit sie wieder ein ganz klein wenig Kontur bekommen: Steigen Sie aus, verlassen Sie die Große Konfusion/ Kooperation! Wenden Sie sich wieder der Sozialdemokratie zu - anstatt weiter der Steigbügelhalter für eine Politik zu sein, die Sie bis zur Unendlichkeit von allem entfernt, was der SPD mal wichtig war.
Zum Beispiel das Konzept MG+/ wachsende Stadt. Was ist eigentlich bisher passiert? Wir stellen fest, MG+ verschlingt horrend viel Geld und bindet gemeinhin viel Personal. Was haben eigentlich die Bezirke davon? Außer der Beseitigung sozio-ökonomischer Defizite, ich hatte diese grässliche Formulierung für Menschen ja angesprochen, gemeint waren junge alleinstehende Menschen mit Migrationshintergrund, arbeitsmarktunsichere Personen und alles was nicht finanziell in Sphären der neo-liberalen Ökonomie schwebt - die Bezirke haben NICHTS davon! Bei Traumtänzereien wie den Gladbach-Tower, der ja hier am Berliner Platz zumindest angedacht ist - oder den unsäglichen Roermonder Höfen, die weder offen und frei im Raum - wie geplant - gebaut werden, sondern einfach dahingeklotzt und abgeschirmt die Gegend verschandeln und für Menschen mit bereits mittleren Einkommen nicht mehr finanzierbar sind - haben die Bezirke NICHTS davon!
Alles zielt auf Konsum, Zuwachs und Zuzug von sogenannten finanziell starken Menschen ab. Das wäre auch eigentlich nicht schlimm - allerdings wenn nur noch und ausschließlich an diese Personengruppe gedacht wird, dann haben wir es schlicht und einfach mit der Gentrifizierung eines Stadtteils zu tun und die jetzigen Betroffenen, die jetzigen Bürger*innen werden schlicht und einfach - noch nicht mal vergessen - sie werden ignoriert und aussortiert. Die Bezirke haben NICHTS davon!
Dieses Investorenbingo um 'Grundstücke in privilegierter Lage' ist nichts weiter als der Ausverkauf der Lebensgrundlage vieler Menschen mit weniger auskömmlichen Finanzgrundlagen. Das muss die Politik stoppen und ja ja - auch Wünsche die nicht eintreten müssen manchmal geäußert werden! Diese ganzen und ausschließlich geplanten seelenlosen Glas- und Betonkuben sind ein Armutszeugnis für Planung, Bau und Architektur! Auch die Idee einer Markthalle hier im Bezirk Nord - gute Idee, schlechte Planung. Ich wohne direkt in Stadtmitte in der Lüpertzenderstraße und keine einzige Person hat in Gesprächen zustimmend reagiert - wobei die Tendenz eindeutig ist. Markthalle JA - Standort NEIN! Warum hält man also an diesem Standort fest? Weil es einen Investor gibt? Weil man keine anderen Ideen hat? Ich habe unsere Ablehnung gegenüber dem Standort - nicht der Idee - hier in der BV-Nord schon vorgetragen und daher wäre es schön, wenn man die Standortfrage nochmals aufgreifen würde.
Werte Kolleginnen und Kollege,
ein weiterer Malus der damit einhergeht, ist die Ankündigung weiterer Fremdvergaben (1. Mill €). Mal ehrlich, werte Mitglieder der GroKo - das kann doch nicht so schwer sein - wir kritisieren und bemängeln ja schon länger die hohe Zahl der Fremdvergaben - aber mit mehr eigenem und qualifiziertem Personal sind diese Aufgaben einfach günstiger zu erledigen. Einerseits hat man in den letzten Jahren massiv Personal abgebaut - andererseits wird darüber gejammert, dass Aufgaben aufgrund personeller Engpässe nicht mehr erledigt werden können. Auch in diesem Jahr sind wieder in der Einbringung einige Maßnahmen, die wegen fehlendem Personal nicht umgesetzt wurden.
Damit einhergehend wird folgerichtig gesagt, dass Planungskapazitäten fehlen, trotz der Reduzierung durch Ausgliederungen (siehe AöR mags) und damit auch gleichzeitiger Reduzierung von Aufgaben. Sie erinnern sich, sie haben dem eigentlich regulären und abgesägten ehemaligen Baudezernenten Wurff in diese Richtung massivst kritisiert, u.a. dass Genehmigungen nicht schnell genug rausgingen - jetzt haben wir unter Herrn Bonin das selbe, die Genehmigungen gehen zurück. Aber natürlich ist das selbstverständlich und ganz sicher und überhaupt was anderes... Ich warte auf den Augenblick, wo sie uns die grünbemalte Betonwand als Wiese verkaufen.
Die ganzen bisherigen Ausgliederungen haben den Verwaltungs-Unterbau stark schrumpfen lassen und somit, wie wir festgestellt haben, auch die Aufgaben der Verwaltungsspitze mächtig reduziert. Die Verwaltungsspitze ist aber nicht geschrumpft und wir erleben dass sie trotzdem ihre Aufgabe in Organisation und Koordination nicht nachkommen bzw. nachkommen können. (Beispiele: fehlende Umsetzung von Maßnahmen, nicht abgerufene Fördergelder, weniger Baugenehmigungen, Wohnungsbauten etc. etc.)
Die drohenden weiteren Ausgliederungen (mindestens Gebäudemanagement) sollen dazu laut Groko ohne Sparzwang erfolgen, also muss wieder da gespart werden, wo NICHTS auszugliedern ist, also Schule/Bildung/Soziales. Jede weitere Ausgliederung bedeutet darüber hinaus auch noch den Entzug demokratischer Kontrolle - denken wir an das GEM-Gutachten, das verschwiegen wurde. Fangen Sie an,wieder für die Menschen hier in unserer Stadt zu sorgen, planen, arbeiten und entscheiden!
In der heutigen Sitzung steht unter TOP 10 das Präventionsprojekt HOME auf der Tagesordnung. Das Projekt wurde und wird immer - und das zu recht - hochgelobt. Es wurde sogar regional 'abgeschaut' und auch zuletzt noch von dem neuen Jugendamtsleiter Klaus Röttgen gelobt. Da stellt sich doch die Frage, warum das Projekt nicht ausgebaut, sondern reduziert wird? Da wo es erfolgreich läuft soll es aber eingestellt werden. Mag verstehen wer will - ich verstehe es nicht. Hier stellen wir die berechtigte Frage: Warum wird das Projekt nicht ausgebaut?
Zum Schluss möchte ich noch über den vor Ihnen liegenden Antrag sprechen, der uns außerordentlich wichtig ist!
Den bezirksbezogenen Bürger - Haushalt!
Wir hatten uns diesbezüglich ja bereits vor Jahren angeregt und intensiv damit beschäftigt und deswegen sage ich - nochmal zur Erinnerung - dass wir uns in Zeiten des HSP und des Spardruckes etwas zurückgehalten haben, da ein Bürgerhaushalt die Gefahr hätte, dass der unangenehme Sparzwang auch auf diesen Bereich hätte abgewälzt werden können. Begrüßenswerterweise gibt es ja nun einige Modelle die mehr oder weniger 'konsequent' die Bürger*innen in dieser Stadt beteiligt. Über das "bürgerschaftliche Engagement" haben wir allerdings festgestellt, dass Projekte in den Bezirken ganz verschieden angenommen werden. Im Bezirk OST gibt es z.B. nur 2 Mini-Projekte! Auch kommen wir nicht umhin, immer wieder die Eigenbeteiligungen anzusprechen, da sie doch im Endeffekt finanziell bessere Initiativen bevorzugen. Auch was die Kriterien zur Förderfähigkeit betreffen, haben wir manche Einschränkungen angesprochen.
Gerade Menschen mit einem finanziell eingeschränktem Background nehmen leider selten an solchen Bürgerbeteiligungen teil. Allerdings kann das aber kein Grund sein - auf unsere Grundforderung nach Partizipation an kommunalpolitischen Abläufen zu verzichten. Der vorliegende Antrag soll daher fließend einen solchen Bürgerhaushalt vorbereiten. 'Vorbereiten' sagen wir bewusst, da eine solche Umsetzung gesamt mehrere Jahre braucht.
Daher möchten wir in drei Stufen vorgehen.
Stufe 1:
Aufteilung der Gelder aus dem Bürgerschaftlichem Engagement (300.000 €) auf die vier Bezirke (also 75.000 € pro Bezirk). Wir möchten dass dieses Geld auf Vorschläge von Bürger*innen und mit ausschließlicher Bürgerbeteiligung in Projekte gesteckt wird. Das Geld soll frei von Bindung an Themenfelder sein. Da aus rechtlichen Gründen eine letztliche Abstimmung zwar bei der BV-Nord bleiben wird, wird angeregt - die vorgeschlagenen Bürgerprojekte ohne Einmischung anzunehmen.
Stufe 2:
Die Verwaltung wird beauftragt Zeitnah ein Konzept für einen echten Bezirksbezogenen Bürgerhaushalt zu erstellen.
Stufe 3:
Die Verwaltung soll darstellen, wie mittel bis langfristig ein echter, gesamtstädtischer Bürgerhaushalt eingeführt werden kann. Wir halten einen solchen Bürgerhaushalt für begrüßenswert und würden uns über ihre Unterstützung freuen.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
zu weiteren Themen wie dem SEP, dem aktuellen Stellenplan, den weiteren Umgang mit den RWE - Aktien, unserem eigenen Antragsheft mit weiteren Anträgen zu dem eingebrachten Haushalt verweise ich auf unsere kommende Stellungnahme im Rat und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit!
Mario Bocks
(22.11.17)