Seit Jahren ist es deutlich sichtbares Bestreben der Fraktion DIE LINKE die Jugendhilfelandschaft in Mönchengladbach durch ein queeres Jugendzentrums zu erweitern und zu ergänzen. Nach einem erfolgreichen Antrag im Jahr 2018, sah es kurzfristig so aus, als ob das Ziel in greifbare Nähe gerückt wäre. Eine breite Mehrheit aus allen Ratsfraktionen einigte sich auf eine Prüfung des Bedarfs durch die Stadtverwaltung. Mittlerweile sind wir Anfang 2022 angekommen und das Jugendamt musste durch einen einstimmigen Beschluss des Jugendhilfeausschusses zu einem aktuellen Sachstandsbericht eingeladen werden. Dieser erfolgte in der letzten Ausschussitzung am 26.01.2022.
Im Rückblick auf diese Sitzung erklärt Sebastian Merkens, Mitglied im Jugendhilfeausschuss, dass ihn dieser Bericht noch lange beschäftigt habe, da er immer noch nicht wisse, ob er wütend oder belustigt auf diese Berichtsvorlage der Verwaltung reagieren solle. Dem Fachausschuss sei eine dokumentierte Arbeitsverweigerung vorgelegt worden, so Merkens weiter. Sich ausschließlich auf ein Gespräch im Juli 2018 zu berufen, an dem 10 Jugendliche teilgenommen haben ist in Anbetracht der statistischen Faktenlage und einer fortgeschrittenen gesellschaftlichen Entwicklung, eine eher dürftige Argumentationskette, um einem Bedarf zu widersprechen. Immerhin hat die Verwaltung zugesagt, von sich aus, im kommenden Jahr erneut über die Fortschritte in der Vorlagenerfüllung zu berichten. Vielleicht ergibt sich aus einer tiefergehenden Analyse des Gespräches von 2018 ja eine neue Bedarfslage, so Merkens etwas zynisch.
Statistisch können in Mönchengladbach ca. 5000 Menschen bis 21 Jahren der queeren Szene zugerechnet werden. Dabei ist es unbedeutend, ob schon eine Selbstaussage vorgenommen worden ist oder diese noch aussteht. Das Angebot eines queeren Jugendzentrums richtet sich an Menschen in einer der vulnerabelsten Entwicklungsphasen des eigenen Lebens. Die Pubertät zwingt den Menschen sich zwischen innerer Realität und äußerem Anspruch eine positive Identität zu erschaffen. Gerade Jugendliche in dieser Entwicklungsphase sind enorm angewiesen auf positive Rückmeldungen zu ihren Entwicklungsschritten. Queeren Jugendlichen wird diese Anerkennung im öffentlichen Raum immer noch erschwert und sogar verweigert. Homosexualität gilt immer noch als schwere Beleidigung, die Existenz von geschlechtlich nonbinären Menschen wird gerne mal in Abrede gestellt und gegen trans Menschen kommt es regelmäßig zu großen Verleumdungsaktionen, grade im für Jugendliche wichtigen digitalen Raum. Als Beispiele hierfür kann man anführen, dass das Wort „Schwuchtel“ eine der gängigsten Schulhofbeleidigungen darstellt, Lehrer*Innen Identitätsaussagen der ihnen anvertrauten Schüler*Innen negieren und ein aktives „Deadnaming“[1] betreiben oder eine grüne, womöglich zukünftige Ratsfrau, die in den sozialen Medien keine Gelegenheit auslässt konkret Jugendliche in ihrer Suche nach Geschlechtsidentität zu diffamieren und herabzusetzen.
In Mönchengladbach gilt in der Jugendhilfe der oft wiederholte Ausspruch „Prävention vor Intervention“. Durch die Schaffung eines Jugendzentrums, speziell für queere Menschen, würde die Stadt eine große Lücke in ihrer Präventionskette schließen, so Merkens. Insbesondere queere Menschen leiden lange unter den Auswirkungen ihres Outings. Viele benötigen dadurch therapeutische Hilfen oder sind kaum mehr in der Lage ihr eigenes Leben selbstbestimmt und frei zu gestalten. Ein queerer Safespace kann junge Menschen in ihrer Entwicklung unterstützen und sicher oftmals negative Entwicklungen direkt am Ursprung abmildern und begleiten.
Die politische Mehrheit in Mönchengladbach gibt die Schaffung eines solchen Ortes her. Jugendarbeit kostet Geld, aber kein Geld in junge Menschen zu investieren, kostet uns alle am Ende sehr viel mehr.
Fußnote(n)/Quelle(n):
1: Deadnaming meint die Missachtung selbst gewählter Namen aufgrund einer zum Ursprungsnamen verschiedenen Identität.