15. Juli 2015   Aktuelles - Kulturausschuss
Kulturgutschutzgesetz mit Auswirkungen auf das Museum Abteiberg?

Neues Kulturgutschutzgesetz: Statt Kulturgüter zu schützen werden Künstler und Sammler enteignet
Hat das neue Kulturgutschutzgesetz Auswirkungen auf das Museum Abteiberg?

Der Gesetzesentwurf von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) umfasst 91 Paragraphen, ist in 3 Teile gegliedert und hat 150 Seiten. Was als Konsequenz aus dem umstrittenen Verkauf der beiden Warholexponate „Triple Elvis“  und „Four Marlons“ durch die WestLB in Aachen an der Auktionsbörse Christie’s in New York (Gesamterlös: 151,5 Mil. $/ umgerechnet 120 Mil. €) gedacht war, nämlich die Verhinderung des Verkaufes von Kunstwerken mit nationalem Kulturgutcharakter, so der Gesetzgeber, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ‚kalte“ Enteignung von Künstlern, Eigentümern, Sammlern und dem gegenwärtigen Kunsthandel. Diese Empörung gilt hauptsächlich der Novellierung des ersten von drei Teilen des Kulturgutschutzgesetzes, nämlich dem Teil „Schutz von deutschem Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland.“ Der zweite Teil beinhaltet den „Komplex Raubgut“ und der dritte Teil den „internationalen Leihverkehr“.

 

Nach dem Bekanntwerden der jetzt vorliegenden Novelle geht nun ein entrüstetes Aufbegehren durch die Kunstwelt. In erster Reaktion hat der Maler und Bildhauer Georg Baselitz seine kompletten Dauerleihgaben aus der Pinakothek in München, dem Albertinum in Dresden und der Kunstsammlung in Chemnitz zurück gezogen. Auch Dietmar Elger, Leiter des Gerhard Richter-Archiv an der staatl. Kunstsammlung Dresden, befürchtet, wenn das so vorgestellte Gesetzesvorhaben durchgeht, dann wäre es tatsächlich eine ziemliche Katastrophe (Tagesspiegel, 13.07.15).

 

Gerhard Richter selber, von den Kulturwissenschaftlern weltweit als der wichtigste noch lebende Gegenwartskünstler bezeichnet, sagte dazu in den Medien (Tagesspiegel, 13.07 und SPIEGEL, 14.07.15): „Niemand hat das Recht, mir vorzuschreiben, was ich mit meinen Bildern mache. Ich werde meine Bilder nicht irgendeiner Kommission zeigen und fragen, ob ich sie verkaufen darf.“ Zu Baselitz Rückholaktion äußerte er Verständnis und sagte, er würde es ebenso machen und die „Bilder aus den Museen holen, schnellstens auf den Markt bringen und verkloppen.“

Der Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue aus Berlin geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht unverhohlen von Enteignung und einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundgesetz. Als Beispiel nennt er die Erben Alexander von Humboldts, welche beschlossen hatten, zwecks Sanierung des Humboldtschlosses die Tagebücher von Alexander von Humboldt zu veräußern. Diese wurden auf dem internationalen Markt in England angeboten und unter sehr ärgerlichem Bieten von der Bundesrepublik Deutschland für 12 Millionen € erworben. Nach dem neuen Kulturgutschutzgesetz wäre das nicht mehr möglich. Die Tagebücher hätten nicht mehr ausgeführt werden dürfen, da sie dann nach § 2, Ziffer 8 als Kulturgut deklariert worden wären und der Eigentümer hätte dann anstelle des erzielten Betrages eine Entschädigung von 1 Million € bekommen. Für Raue ist das eine klare Enteignung. Im Klartext bedeutet dies, ist ein Kunstwerk oder ein Kulturgegenstand (wie z.B. die Tagebücher) erst einmal im Kulturgutverzeichnis eingetragen, darf der Besitzer es nur noch innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik verkaufen. Ein Verkauf ins Ausland ist nicht mehr möglich. Angesichts der fehlenden Märkte für bestimmte Kulturgüter innerhalb der Bundesrepublik muss man hier dem Vorwurf Raues auf Enteignung klar zustimmen.

Weiter kritisiert Raue den Passus, dass Besitzer von Kunstgegenständen von Kulturgutschützern der Länder ernannte sachverständigen Personen den Zutritt zu Wohnungen und Gebäuden, in denen das Kulturgut verwahrt oder vermutet wird,  ermöglichen müssen. Hier heißt es in dem Passus: „Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung … wird insofern eingeschränkt.“  Den gesamten Gesetzentwurf  sieht Raue als den schlimmsten Schlag gegen den Kunsthandel in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ob auch das Museum Abteiberg in Mönchengladbach (wie die Pinakothek oder das Albertinum) mit seiner modernen und zeitgenössischen Kunst und seiner großartigen Sammlung betroffen sein wird, kann man noch nicht sagen. Das Museum für Bildende Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zeigte unter anderem bereits Arbeiten von Joseph Beuys, Richard Serra, Andy Warhol, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Martin Kippenberger, Markus Oehlen, Heinz Mack, Ulrich Rückriem und Gregor Schneider.

Mario Bocks, Kurator der Kunststiftung im Museum Abteiberg, kulturpolitischer Sprecher der Linkspartei und Kulturausschussmitglied zeigt großes Verständnis für die Ablehnung und die Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf: „Hier hat die Kulturstaatsministerin Frau Grütters einen untragbaren Entwurf vorgelegt. Zuerst einmal muss sie sich fragen lassen, was Andy Warhol mit deutschem Kulturgut zu tun hat. Denn der Verkauf der WestLB war ja die Grundlage des nun neuen Gesetzes. Dass dieses nun einen Bemessungsgrenzwert von 150.000 € und eine Altersbegrenzung von 50 Jahren hat, ab dem eine Ausfuhrgenehmigung beantragt werden muss, darf man als Pro-Argument für dieses Gesetz nicht durchgehen lassen. Kulturgegenstände und Kunstwerke und Objekte reifen bekanntlich erst mal Jahre oder Jahrzehnte, bevor sie zu Kulturgütern werden. Mit dieser Regelung, so sie denn verabschiedet wird, legt sie den gesamten Kunsthandel in der Bundesrepublik brach. Desweiteren wäre kein einziges Leihgeschäft oder ein weiterer zeitlich begrenzter Ausstauch bei sogenannten Kulturschutzgütern mehr möglich, da von deutscher Seite aus kein Kulturobjekt mehr die Bundesrepublik verlassen dürfte. Das ist weltfremd, realitätsfern und nicht praktikabel. Wie soll da z.B. ein Gerhard Richter noch im MoMA in New York oder sonst wo auf der Welt ausstellen, wenn seine Werke die Bundesrepublik nicht mehr verlassen dürfen. Das Beispiel ist Exemplarisch.“

Wie die meisten Kritiker hofft auch Bocks, dass dieses Gesetz so nicht umgesetzt wird. Vielmehr fordert er eine Generalüberholung des ersten Teiles dieser Gesetzesnovelle. Es ist nicht dienlich wenn Personen kulturbestimmende Gesetze erlassen, ohne dass auf die Mitwirkung von Künstlern, kunstverständigen Personen aber auch den Direktoren und Direktorinnen der Museen zurückgegriffen wird. Alleine die Reaktionen von Georg Baselitz und Gerhard Richter müssten Frau Grüttner doch sehr nachdenklich machen. Wie sagte doch Gerhard Richter, angesprochen auf eine staatliche Entscheidungskommission in Sachen Kunst:  "Diese Leute haben meist auch gar keine Ahnung von Kunst." Dem ist nichts hinzu zufügen!

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