In der Haushaltsrede wurde das Jahrelange im Kreis drehen kritisiert, dass zu unnötigen Ausgaben führte bei gleichzeitigem Verschleppen nötiger Investitionen. Gleichfalls sind aber viele Probleme von Bund und Land verursacht und die Kommunen müssen entlich sagen: „Nein, es geht eben nicht mehr! Es gibt nichts mehr, was wir einsparen, also den Menschen wegnehmen können. Wir müssen jetzt investieren.“
Haushaltsrede vom 11.12.2024
Torben Schultz / Die Linke / Es zählt das gesprochene Wort
Sperrfrist: Bis die Rede im Rat gehalten wurde.
Liebe Bürger*innen,
Ampeln sind gescheitert,
bauen wir nur noch Kreisverkehre!
Was verkehrspolitisch ein überlegenswerter Vorschlag ist,
ist finanzpolitisch ein sich im Kreis drehen.
Und dieses im Kreis drehen kennen wir vom Karussell auf dem Kinderspielplatz.
Wenn sich die Stärksten in die Mitte ziehen beschleunigt es noch mal so stark, dass die die Schwächsten runter fallen.
Lehnen sich aber die Schwersten nach außen, dann verlangsamt es.
Das kann so weit gehen, dass man fast zum Stillstand kommt.
Bei den Planungen des neuen Verwaltungsgebäude lief das so ab.
Obwohl der erste Entwurf direkt auf grundsätzliche Kritik stieß
– zu groß, zu protzig, eine Glasmauer durch die Rheydter Innenstadt –
wurde Tempo gemacht.
Eine um die andere Runde wurde gedreht um „Nachzubessern“.
Damals regten wir an sich etwas Zeit zu nehmen und zu prüfen ob das Dritte Baufeld überhaupt nötig ist.
Dann über drei Jahre später die Notbremse.
Alles auf Null und nun doch ohne das Dritte Baufeld – wie von uns einst gefordert.
Mindestens 9,7 Mio hat uns das gekostet.
Und die eigentlich Leidtragenden des ganzen sind die Beschäftigten.
Oder schauen wir auf den ZOB.
Für 20 bis 25 Mio sollte der Busbahnhof verkleinert werden, nur damit ein privater Investor etwas mehr Bauland günstig bekommt und dafür dann das leidige Thema Haus Westland beseitigt.
Garantien gab es keine, aber es wurde erst mal Tempo gemacht.
Nun ist der alte ZOB weg und Haus Westland steht noch immer.
Also drehen wir noch eine Runde und freuen uns erst mal, dass der ganze ZOB Umbau deutlich günstiger wurde.
Allerdings:
Was jetzt gespart wurde, zahlen wir später drauf!
Denn noch ist die Humboldstraße nicht wieder hergerichtet, und daher kommen die größten Einsparungen.
Doch genug in der Vergangenheit herumgekreist meinen sie?
Noch nicht ganz.
Da waren ja noch die mindestens 8,7 Mio aus der Förderung „Gute Schule“.
Diese wurden zweckentfremdet, also umgeschichtet.
So kam an den Schulen deutlich weniger – zu wenig! - an.
2016 versprach Felix Heinrichs, damals noch als Fraktionsvorsitzender, dass dies Geld in einem kommunalen Förderprogramm – also um im Bild zu bleiben: In einer nächsten Runde - nachgereicht wird.
Nun also liegt er auf dem Tisch, der große Bildungshaushalt.
Ich war Herrn Heck sehr dankbar, als er im Schulausschuss klar machte:
Eigentlich können wir damit nur das nötigste machen.
Und um das mal klar zu machen was das bedeutet, nehmen wir mal das jüngste Beispiel:
Die Jahnhalle.
Für 25 Mio können wir sie neu bauen.
Für 20 Mio könnten wir sie sanieren.
Also stecken wir 2,7 Mio in den Brandschutz und alles nötige, damit wir die Halle nicht schließen müssen. Damit wird aber der Sanierungsstau nicht beseitigt. Die Halle vergammelt weiter – wir drehen noch ein paar Runden - und am Ende wird es nur noch teurer.
Soviel zu den 2016 entwendeten 8,7 Mio und dem vielen Verbrannten Geld.
Was wir damals nicht gemacht haben, kostet uns heute doppelt und dreifach.
Was wir damals verschwendet haben, fehlt uns heute doppelt und dreifach.
Was wir heute nicht machen, zahlen unsere Kinder mit schlechten Bildungsvoraussetzungen und unsere Enkel dann auch finanziell ab.
Aber damit nicht genug.
Wir veranstalten 2037 noch einen riesigen Rummel!
Die internationale Gartenschau.
Wieder so eine Zweckentfremdung von Fördergeldern.
Eigentlich für den Strukturwandel gedacht, finanzieren wir davon eine Seilbahn in das Tagebau-Loch, damit die Gäste eine Pfütze bewundern können.
Dann noch ein paar Parkplätze bei Wanlo, ein Canyon der auf hunderte von Metern die Landschaft zerschneidet und zu guter Letzt noch hängende Gärten bei Jüchen.
Übrigens, die Hängenden Gärten von Babylon waren eines der sieben Weltwunder.
Die IGA wird nur eine Steuersünde.
Aber dies halbe Jahr werden Kinder bezahlen, die jetzt noch nicht geboren sind.
Bis 2067 werden wir die IGA abbezahlen.
Dass Eltern mal ihren Kindern hinterher räumen müssen, ok.
Aber dass Enkel für ihre Ur-Ur-Großeltern aufräumen?
Müssen sie das nicht schon zu genüge bei dem, was wir an Klimakatastrophe hinterlassen?
Und jetzt gebe ich ihnen mal einen Ausblick, wo wir die nächsten Runden drehen, statt einmal etwas richtig zu machen:
Grundsteuer
Eigentlich wissen wir alle, dass der einheitliche Hebesatz die Mieten unverhältnismäßig belastet. Für die CDU ist das ok, aber dem Rest ist das gar nicht so recht und so sagte Herr Klotz auch im Hauptausschuss, dass man ja nachjustieren kann, sobald bezüglich der differenzierten Hebesätze Rechtssicherheit herrscht.
Wenn also im nächsten Jahr die ersten Klagen kommen, dann wird es frühstens 2026 Urteile geben, also bis mindestens 2027 werden wir uns da noch im Kreis drehen.
Soziale Projekte
Wie das Murmeltier im Februar, so taucht jährlich im Dezember die Rollbrettunion auf, weil mal wieder eine Finanzierung fürs nächste Jahr gesucht wird. Neu dazu gekommen ist nun noch das Queere Jugendzentrum. Wir könnten diese gewollten und erfolgreichen Projekte einfach zu Standardangeboten der Jugendhilfe machen und ihnen mit langfristigen Leistungsvereinbarungen Sicherheit geben. Und wenn dann der berüchtigte Sparkommissar kommt, dann kann er uns diese nicht so leicht nehmen.
Aber nein, auch hier drehen wir uns Jahr für Jahr im Kreis und kommen nicht voran.
Das größte im Kreis drehen beginnen wir aber erst noch:
Die Abschreibung der Corona- und Ukraine Schulden über 50 Jahre.
Dabei ist es allerdings egal ob wir es abschreiben oder ausbuchen, denn egal wie, es sind Schulden die nicht von der Kommune verursacht sind. Aber wir müssen sie tragen.
Und das Resultat ist das, was bereits letztes Jahr begann:
Finanz-Trickserei.
Selbst der Kämmerer spricht nur von einem Fiktiv ausgeglichenen Haushalt.
Und das führt den ganzen Begriff sparen ad absurdum.
Sparen heißt nämlich etwas auf die hohe Kante legen für schlechte Zeiten.
Ausgleichsrücklagen sind aber nichts was irgendwo liegt.
Es sind buchhalterisch noch nicht zurückgezahlte Schulden.
Aber es sind Schulden.
Was wir also im Haushalt „sparen“ nennen ist entweder ein Kürzen, ein wegnehmen oder aber ein unterlassen von Investitionen, ein verschieben der Schulden in die Zukunft.
Dieser Finanztrick rettet aber nicht die Kommune, sondern nimmt Land und Bund die Verantwortung: „Es geht ja irgendwie!“
Und da müssen die Kommunen auch mal sagen:
„Nein, es geht eben nicht mehr!
Es gibt nichts mehr, was wir einsparen, also den Menschen wegnehmen können.
Wir müssen jetzt investieren.“
Und dabei muss uns allen klar sein:
Ein guter Sozialstaat ist das beste Mittel gegen die rechtsautoritäre Entwicklung.
Wir müssen den Menschen die Abstiegsängste nehmen.
Wir müssen massiv in Schulen und den klimagerechten Umbau der Stadt investieren.
Die Schuldenbremse ist gescheitert, auch und gerade in der Kommune.
Vielen Dank an den Kämmerer und sein Team.
Ihre Aufgabe ist es uns die Zahlen so schön zu ziehen.
Unsere Aufgabe aber ist es zu sagen was ist.