13. April 2011   Aktuelles - Allgemeines
Rede Nicola Schiemann zu "Neukonzeption zur Unterbringung ausländischer Flüchtlinge"

Rede: „Neukonzeption zur Unterbringung ausländischer Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften in MG“
Vorlage 1016/VIII am 13.4. gehalten im Rat der Stadt Mönchengladbach
Es zählt das gesprochene Wort

Zunächst einmal bitte ich zu entschuldigen, dass ich jetzt noch einmal etwas breitere Ausführungen im Hinblick auf eine Beratungsvorlage mache, die – wie die Abstimmungsergebnisse in den Ausschüssen gezeigt haben – offensichtlich mehrheitlich als völlig unproblematisch erachtet wird und hier jetzt eigentlich auch ohne größere Diskussion durch den Rat beschlossen werden könnte.

Aber aufgrund des Umstands, dass hier nicht eine unwesentliche Kleinigkeit zur Debatte steht, sondern der Rat immerhin gleich über die Errichtung von zwei Neubauten zur Unterbringung ausländischer Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften mit allein geschätzten Baukosten in Höhe von knapp 3.000.000 € beschließen soll, sehe ich – bzw. unsere Fraktion es als Verpflichtung an, im Rahmen verantwortungsvoller Ausübung des Ratsmandats, an dieser Stelle noch einmal ausführlich auf die bestehenden Bedenken gegen die zur Abstimmung stehende Verwaltungsvorlage aufmerksam zu machen!

Bereits im Rahmen der Behandlung des TOPs im Sozialausschuss habe ich daher auch noch einmal für eine Klarstellung der rechtlichen Grundlagen gesorgt. Anlass hierfür war, bzw. ist folgende Formulierung in der Beratungsvorlage, wo es auf S. 3 oben heißt:

„Grundsätzlich ist festzustellen, dass Asylbewerber nach § 53 AsylverfG verpflichtet sind in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen ...“.

Denn diese Formulierung ist missverständlich und impliziert beim Leser automatisch erst einmal die Vorstellung, dass hieraus auch gleichzeitig eine Verpflichtung der Stadt resultiert, solche Unterkünfte zu betreiben.

Meine Besorgnis, dass hierdurch möglicher Weise auch bei zumindest einigen Entscheidungsträgern falsche Vorstellungen von den rechtlichen Möglichkeiten geweckt wurden basiert insoweit auch auf ganz konkreten Aussagen. So hat zum Beispiel ein engagierter Vertreter in der Flüchtlingsarbeit in MG im Anschluss an eine von mir gegen die geplante Neuerrichtung der Sammelunterkünfte gehaltene Rede eben gerade genau den Einwand entgegen gehalten, dass meine Ausführungen, dass die Neuerrichtung von Sammelunterkünften im Hinblick auf eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen weder erforderlich, noch im Sinne der Betroffenen sei, zwar sehr interessant seien, aber die Stadt schließlich rechtlich verpflichtet sei solche Unterkünfte zu betreiben. Dies stehe so im Asylverfahrensgesetz.

Auf meine Frage, wie er darauf komme, antwortete er, dass hätten Vertreter von SPD und Grünen ihm so erklärt und die hätten sich hierbei auf die diesbezüglichen Ausführungen der Verwaltung zur Rechtslage bezogen.

Geht man nun von dieser – wie auch immer zustande gekommenen - falschen Vorstellung aus, dass die Stadt Sammelunterkünfte für Flüchtlinge betreiben müsse, dann ist die geplante Neukonzeption natürlich mit ganz anderen Augen zu betrachten. Denn Einigkeit zwischen Fraktionen/ Verwaltung, etc. besteht ja ganz klar insoweit, dass die derzeitige Unterbringung der ausländischen Flüchtlinge in den Sammelunterkünften Hardter Str./ Bockersend/ Baracke Luisenthal menschenunwürdig ist und daher möglichst umgehend zu beenden ist. Unbestritten ist insofern natürlich auch, dass diesbezüglich die Erarbeitung einer generellen Neukonzeption zu erfolgen hat. Die einzige strittige Frage ist insoweit, wie diese aussehen sollte, bzw. müsste. Unter der Voraussetzung, dass die Kommune verpflichtet wäre Sammelunterkünfte für Flüchtlinge zu betreiben, würden sogar wir gegebenenfalls – trotz einiger weiterer Kritikpunkte - im Ergebnis hiesiger Beratungsvorlage zustimmen, da wir natürlich ebenfalls immer vehement gefordert haben, dass die vorhandenen desolaten menschenunwürdigen Unterkünfte geschlossen werden!

Aber – wie zwischenzeitlich durch die Verwaltung klargestellt - sieht die tatsächliche Rechtslage ja nun einmal anders aus. Denn § 53 Abs. 1 AsylverfG. ist insoweit nur eine Sollvorschrift! D.h. Die Kommunen können von niemandem (weder Bund, noch Ländern) zur Betreibung von Sammelunterkünften verpflichtet werden. Lediglich wenn die Kommune derartige Unterkünfte betreibt, dann sind die Betroffenen nach Abs. 2 der Vorschrift verpflichtet dort zu wohnen!

D.h. Im Ergebnis: Bei verantwortungsvoller Erstellung einer Neukonzeption ist nicht nur die Alternative „Errichtung neuer Sammelunterkünfte“ in Betracht zu ziehen, sondern auch alternativ mögliche Konzepte. Dies ist bei der hiesigen Beratungsvorlage völlig außer Acht gelassen worden! Dies ist umso unverständlicher, als das andere denkbare Konzeptionierungen nicht nur den Interessen der Betroffenen wesentlich gerechter werden, sondern insbesondere darüber hinaus auch wesentlich kostengünstiger sind (und das bereits ohne die 3.000.000 € Neubaukosten!!!).

Um mir nicht vorhalten lassen zu müssen, dass meine Vorstellungen von Alternativkonzepten lediglich theoretischer Natur sind und um dem Argument „Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung“ welches teilweise hier vor Ort gegen alternative Konzepte vorgebracht wird unmittelbar entgegenzuwirken möchte ich an dieser Stelle ein konkretes praktisches Beispiel vorstellen, welches belegt, dass es durchaus auch anders geht:

Beispiel: Frankfurt am Main

In Frankfurt gibt es keine Sammelunterkünfte, die zur Unterbringung ausländischer Flüchtlinge betrieben werden. Es gibt zwar so genannte „Übergangsunterkünfte“, in denen auch Flüchtlingsfamilien vorübergehend wohnen, aber diese werden von der Stadt nur aufgrund der lokal angespannten Wohnraumsituation für alle Menschen in der Stadt zur Verfügung gestellt werden, die von Obdachlosigkeit bedroht, bzw. ansonsten OFW wären. D.h. Hier leben z.B. auch deutsche Familien, die z.B. aufgrund von Mietschulden geräumt wurden, etc. D.h. Sinn und Zweck des Betreibens der Unterkünfte ist allein die Vermeidung von Obdachlosigkeit, bzw. menschenwürdige und lediglich übergangsweise Unterbringung von Obdachlosen – egal welcher Herkunft- in als „Appartements“ ausgestalteten Unterkünften.

Bei einem im Rahmen meiner diesbezüglichen Recherchen geführten Telefonat mit dem Geschäftsführer des ev. Vereins für Wohnraumbeschaffung äußerte dieser u.a., dass es sich in Frankfurt wohl niemand ernsthaft trauen würde überhaupt die Forderung aufzustellen, dass Sammelunterkünfte nur für Flüchtlinge errichtet werden sollen!

Er erklärte mir auch, dass die Vorgehensweise im Hinblick auf neu ankommende Flüchtlinge in Frankfurt so aussähe, dass die betreffenden Personen unmittelbar nach der Zuweisungsentscheidung und noch vor dem Antreffen vor Ort dem sog. „Koordinierungsbüro“ welches von seinem Verein betrieben wird gemeldet werden. Dort wird eine Wohnraumdatenbank betrieben und es erfolgt eine Verteilung an die freien Träger, die sich mit der Wohnraumbeschaffung befassen. Es gibt insoweit auf ankommende Flüchtlinge spezialisierte Angebote Freier Träger, wo die dortigen Mitarbeiter dann zunächst nach „Schwallbach“ zur Erstaufnahmeeinrichtung fahren und mit den Betroffenen die individuellen Möglichkeiten im Hinblick auf die weitere Unterbringung abklären. D.h. Es wird u.a. abgeklärt, ob es nicht ggf. die Möglichkeit gibt bei schon in Frankfurt lebenden Angehörigen (Geschwister, Eltern, Verlobte) oder auch bei Bekannten unterzukommen oder ob ggf. durch Dritte Wohnraum beschafft werden kann.

Falls nicht wird versucht über die vorhandenen Datenbanken Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt für die Betroffenen zu organisieren. Erst wenn diesbezügliche Versuche fehlschlagen, erhalten die Betroffenen die Möglichkeit in den beschriebenen Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen. Hierbei haben Sie selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit dort wieder auszuziehen, falls sie in Eigeninitiative auf dem freien Wohnungsmarkt Wohnraum finden. Der Umstand, dass es sich bei der in Frankfurt praktizierten Vorgehensweise natürlich auch um eine wesentlich kostengünstigere Alternative als das Betreiben von Flüchtlingsunterkünften handelt ist hierbei unbestritten.

D.h. Hier findet im Rahmen der Erstanalyse auch immer die gesetzlich durch das Asylverfahrensgesetz vorgeschriebene Einzelfallabwägung statt und es werden nicht etwa mal eben pauschal 60 ankommende Personen (insoweit gesetzwidrig) in eine eigentlich bereits geschlossenen Baracke verfrachtet ohne jegliche Einzelfallabwägung, wie dies in MG kürzlich erfolgt ist!

Als Fazit aus dem vorgestellten Alternativ-Konzept Frankfurt lässt sich für MG der Schluss ziehen: Auch in Mönchengladbach sollte nur in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen und das auch möglichst nur vorübergehend, wer ansonsten keine anderweitige Möglichkeit der Unterbringung hat! Aufgrund des lokal deutlich entspannteren Wohnungsmarktes dürfte wohl auch die erforderliche menschenwürdige Unterbringung aller Obdachlosen in der Stadt die Neubaukosten in Höhe von 3.000.000 € nicht rechtfertigen. Wenn allerdings neue appartementähnliche Gemeinschaftsunterkünfte in MG errichtet werden sollten, dann sollte der dortige Einzug nicht nur für alle freiwillig sein, sondern die appartementähnlichen Wohneinheiten sollten dann auch gleichzeitig allen Menschen OFW zur Verfügung stehen und statt dessen könnte dann z.B. der umstrittene „Bunker“ auf der Erzberger Str. geschlossen werden.

Im Hinblick auf das geführte Gespräch mit dem Geschäftsführer des ev. Vereins für Wohnraumbeschaffung sei kurz noch am Rande bemerkt, dass dieser - nach meinem Zitat aus der hiesigen Beratungsvorlage und meiner Anmerkung, dass das Wort „Konzentration“ im Hinblick auf eine Pro- Argumentation für die zwangsweise und massenhafte Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen ggf. auch nicht besonders glücklich gewählt sei – der Ansicht war, dass dies in Frankfurt vermutlich zu einem handfesten Skandal geführt hätte!

Zum Glück für unsere Verwaltung scheint es hier in MG offensichtlich – wie gesagt - nur sehr wenige zu geben, die die hiesige Beratungsvorlage als problematisch erachten! Im Gegenteil sie wird hier vermutlich – wie eingangs bereits erwähnt - gleich – wie in den voran gegangenen Ausschüssen - problemlos mehrheitlich beschlossen werden und zwar

  • ohne Bedenken, dass der Haushalt völlig unnötig enormen weiteren Belastungen ausgesetzt wird
  • ohne Bedenken, dass die Verwaltung trotz wiederholter entsprechender Aufforderung durch uns noch nicht einmal bereit ist im Hinblick auf eine mögliche Kostenersparnis durch Alternativkonzepte entsprechende Vergleichszahlen auf den Tisch zu legen
  • ohne Bedenken, dass es Alternativen gibt, die nicht nur deutlich kostengünstiger sind, sondern die den Bedürfnissen der Betroffenen Menschen auch noch wesentlich gerechter werden
  • ohne Bedenken, dass Ihre Zustimmung in vorangegangenen Ausschüssen möglicher Weise auch unter dem Gesichtspunkt einer falschen Vorstellung von der Rechtslage erfolgt ist
  • ohne Bedenken, dass in möglicherweise rechtswidriger Weise zweckbestimmte Erbschaftsmittel in die Neubaukosten unter zweckfremder Verwendung einfließen könnten. Denn auch bei weiter Auslegung der Zweckbestimmung wird kein Betroffener die zwangsweise Unterbringung in „Flüchtlingsghettos“ etwa der Einrichtung eines Rechtsmittelfonds oder Kleinkreditfonds für Existenzgründungen, etc. vorziehen und auch nicht als für ihn ausgegebene Mittel ansehen!

Da stelle ich mir, bzw. wir uns, die Frage, wie es sein kann, dass bei all diesen objektiv vorhandenen Bedenken gegen die Beratungsvorlage der Verwaltung in der derzeitigen Fassung – spätestens seit Klarstellung der rechtlichen Grundlagen im Sozialausschuss – niemand der hiesigen Entscheidungsträger weiteren Beratungsbedarf angemeldet hat und – außer uns – insbesondere auch niemand die Prüfung von Alternativkonzepten hinsichtlich der Kostenfrage für erforderlich hält!!!

Aber: noch ist es nicht zu spät! Daher appelliere ich an Sie:

Es besteht keine Notwendigkeit heute ein nicht vollständig durchdachtes Konzept von einer derartigen Tragweite „durch den Rat zu winken“!!! Sie können auch an dieser Stelle noch weiteren Beratungsbedarf anmelden oder unserem Prüfauftrag, den wir gleich stellen werden, zustimmen.


Alternativabtrag zu 1016/VIII

Neukonzeption Flüchtlingsunterkünfte

Parallel zur Ermittlung der notwendigen Investitionskosten für die Neubauvorhaben prüft die Verwaltung die Kosten der Unterbringung der Flüchtlinge auf dem freien Wohnungsmarkt. Bei der Kostenprüfung sollen auch Personalkosten und Abschreibung berücksichtigt werden.

Auf der Grundlage der parallelen Prüfung fällt der Rat einen Beschluss für die Neukonzeption zur Unterbringung der Flüchtlinge in unserer Stadt.

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