Hier veröffentlichen wir die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Helmut Schaper, es zählt natürlich das gesprochene Wort. Die RP nennt Herrn Schaper Schlagfertig (hier der Artikel), dies liegt sicher auch daran, dass er spontan auf seine Vorredner einging. Deswegen ist das Vorwort vielleicht verständlicher, wenn Sie auch die anderen Reden lesen. Diese haben wir unter dem Artikel Verlinkt. Dort finden Sie auch noch zwei "bildliche Kommentare zu den Reden von der CDU und der SPD.
Übrigens wurde der Haushalt gegen die Stimmen der Linken und bei Enthaltung der Grünen von allen anderen Fraktionen angenommen.
Vorwort zur Haushaltsrede entsprechend den Notizen in der Ratssitzung
Vorweg, lieber Bernd, möchte ich dich für einen Preis vorschlagen für die Einsparung von Zeit. Zum zweiten Mal eine Etatrede der FWG so kurz und knapp. Das ist toll.
Als letzter Redner hat man den Vorteil auf die Vorredner eingehen zu können.
Herr Dr. Schlegelmilch.
Sie haben in ihrer Rede erklärt, dass die Haushaltssituation so ist, weil einige beim zündeln nicht aufgepasst haben. Sie erklären damit alle anderen außer Ihrer Fraktion quasi zu Brandstifter.
Das, Herr Dr. Schlegelmilch, möchte ich hier nicht hören.
Herr Beine.
Sie haben erklärt, dass aufgrund des Stärkungspaktes der Abbau der Schulden ab 2015 beginnt. Ich hatte ja gehofft, dass sie nach meiner öffentlichen Aufforderung, mir die genaue Schuldenzahl nach 2018 zu sagen, nun auch die Zahl liefern würden. Leider haben sie keine Zahl genannt. Damit sind sie in guter Gesellschaft. Wir haben auch bei der Verwaltung nachgefragt wegen der Schulden. Auch die hat uns keine Antwort gegeben. Von daher bleiben wir bei unserer Aussage.
Es mag sein, dass 2018 ein Haushaltsausgleich erreicht werden kann. Wir haben dann aber 2018 immer noch mehr als eine Milliarden Euro Schulden.
Herr Dr. Jansen-Winkeln.
Sie haben ihre Haushaltsrede so schön in 10 Gebote gefasst.
Ich biete ihnen ein elftes Gebot an.
Das lautet: Du sollst dich erinnern.
Du sollst dich erinnern, was du in deiner vierjährigen Zusammenarbeit mit der CDU der Ampel an Schulden hinterlassen hast.
Und wenn du dich beschwerst, dass der Haushalt zu spät eingebracht wurde, dann sollst du dich daran erinnern, dass der Kämmerer dein Parteifreund ist, dem du auch schon mal sagen kannst, sorg dafür, dass der Haushalt eher und vollständig eingebracht wird.
Sie versprechen sich eine spannenden Haushaltsdebatte über die Kürzungsmöglichkeiten bei den Aufwendungsarten 13 und 16. Dann sollst du dich auch daran erinnern, dass die FDP in den letzten Jahren genau diesen Antrag der FWG immer abgelehnt hat.
In den Reden sind immer wieder Forderungen zu Umwelt, Verkehr, Energie, Bildung und Wirtschaft genannt worden.
Darauf will ich jetzt nicht eingehen. Demnächst ist Wahlkampf. Da kann jeder nachlesen, wer für was steht.
Ich möchte mich jetzt mit den Konstruktionsfehlern befassen, die dem Stärkungspakt zugrunde liegen.
Haushalt 2014
Die Verwaltung hat am 9.9.2013 den Entwurf für den Haushalt 2014 in den Rat eingebracht.
Dabei wurde deutlich, dass Risiken, auf die wir im Zusammenhang mit dem Einstig in den HSP 2013 hingewiesen haben, auch eingetreten sind.
Ich will hier nur einige aufzählen.
- Risiko Konsolidierungsvolumen der HSP-Maßnahmen = Minus 14, 2 Millionen €.
- Risiko Ausstattung Stärkungspakt = Minus 32 Millionen €.
- Risiko zu erwartende Mehrausgaben wie Tariferhöhungen, höhere Pflichtleistungen, Kosten Theater mit Zukunft usw. = 8,2 Millionen €
- Risiko Schlüsselzuweisungen = 11 Millionen
Dazu kommen die Risiken der unsicheren Einnahmen und der prognostizierten Ausgaben.
Gewerbesteuer, Ansatz um 5 Millionen € reduziert, Tariferhöhungen, Ende der Niedrigzinspolitik, RWE Dividende.
Des weiteren die Unsicherheit, wie das Land die Mittel für den Stärkungspakt Stadtfinanzen aufbringen will.
Nachdem die so genannten reichen Kommunen mit Klage gedroht
haben, ist die SPD/Bündnis 90 Regierung im Land zurück gerudert. Jetzt sollen diese Kommunen nur noch die Hälfte zahlen. Dafür aber zwei Jahre länger. Wir gehen davon aus, dass dieser Rückzieher dennoch die Kommunen nicht davon abhält zu klagen.
Den Haushalt 2014 haben sie noch einmal entsprechend dem HSP darstellen können.
Nur: Die eingebauten Puffer sind aufgebraucht.
Weitere Verschlechterungen werden sie 2015 nicht mehr kompensieren können.
Sie haben, Herr Kuckels, in ihrer Einbringungsrede den Beitritt zum Stärkungspakt als Ausweg aus der Wahl zwischen Pest und Cholera geschildert. Ihr Motto dazu: „Etwas besseres als den Tod finden wir überall.“
Dass die Wahl zwischen Pest und Cholera keine Wahl ist, haben wir ihnen immer bestätigt. Wir haben aber auch deutlich gesagt, dass ihr „Etwas besseres als den Tod finden wir überall.“ sprich Stärkungspakt Stadtfinanzen, nicht alternativlos ist.
Und das war nicht nur unsere Einschätzung.
Der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, Roland Schäfer, hat am 27.6.2013 erklärt:
„Wenn wir über die Form des kommunalen Finanzausgleiches sprechen, gehört deshalb die Frage einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung ganz nach vorn.“
Des weiteren schätzt er ein, dass wenn der kommunale Anteil an den Gemeindesteuern seit 1984/1985 nicht mehrfach abgesenkt worden wäre, wäre der Stärkungspakt Stadtfinanzen jetzt entbehrlich.
Genau das ist der Kern unserer Kritik am Stärkungspakt Stadtfinanzen.
Der Stärkungspakt Stadtfinanzen löst nicht die Ursache für die Verschuldung der Kommunen. Die liegt nachgewiesenermaßen in dem strukturellen Defizit, das dadurch entsteht, dass Bund und Länder den Kommunen Aufgaben aufbürden, ohne sie entsprechend zu bezahlen.
Und für diese Haltung bei Bund und Länder, dass Aufbürden von Lasten ohne entsprechend zu zahlen, gibt es eine Allparteienkoalition aus CDU/CSU/SPD/FDP und Bündnis 90/Die Grüne.
Besonders intensiv haben diese Politik SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrer Regierungszeit betrieben. Hätte wir die Steuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer der letzten Kohl Regierung, wäre mehr Geld im Pott.
Vor Ort beklagen dann alle Mandatsträger dieser Parteien, deren übergeordneten Gremien die Verantwortung dafür tragen, dass die Kommunen kein Geld haben. Und das von daher gespart werden müsse.
Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich machen, dass sparen hier der falsche Begriff ist. Sie streichen und kürzen. Stellen Dienstleistungen ein. Verdichten die Arbeit. Sparen ist was anderes.
Dieses „Etwas besseres als den Tod“ ist für uns nicht der Stärkungspakt. Es ist zwar so, dass wenn die Kommune dem Stärkungspakt beitreten, sie nicht mehr austreten können. Das ist so. Dass bedeutet aber doch nicht, dass die Kommunen nicht trotzdem die aufgabenangemessenen Finanzausstattung einklagen können. Wer hindert den Städte- und Gemeindebund NRW daran, den Ausgleich für das gutachterlich festgestellte Strukturdefizite einzuklagen.
Kommunen tragen den Hauptanteil an der Entwicklung des Gemeinwesens. Läuft es in den Kommunen schief, läuft es auch gesellschaftlich schief. Kommunen darf man nicht in die Schuldenfalle treiben. Ihnen sind die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Personaletat
Ich will hier auch noch einmal explizit den Personaletat ansprechen, weil sich einige HSP-Maßnahmen mit der Personalpolitik beschäftigen.
Für die IHK und andere unternehmerfreundliche Verbände ist die Senkung der Personalkosten das A und O eines Haushaltsausgleiches. Ihr, Kommune, so das Credo, habt nicht zu wenig Einnahmen. Ihr habt zu viele Ausgaben. Und dann kommt sofort die Aufforderung, Personalkosten zu sparen.
Am Personaletat wird sehr plastisch deutlich, dass es hier nicht um sparen, sondern um kürzen geht. Und wenn schon sparen, dann am falschen Ende.
150 Stellen lassen sie ein Jahr nicht besetzen. Im rotierenden System. Da sind Stellen im Bereich Pflichtaufgaben dabei. Grundsicherung, Amt für Wohnungswesen, Amt für Altenhilfe. Die können die Arbeit nicht liegen lassen oder mal eben kurz ausschreiben. Da kommt es zu Arbeitsverdichtung mit der Folge eines erhöhten Krankenstandes. Und es kommt dazu, dass qualifizierte Mitarbeiterinnen sich überlegen, ob sie sich das noch antun wollen.
Würden sie allein nur alle unbesetzten Stellen im Dezernat VI besetzen, könnten sie enorme Kosten bei den Ausschreibungen sparen. Die Ausschreibungen werden durchgeführt, weil städtische Kapazitäten im Bereich Planung und Bauen fehlen. Die Ausschreibungen verursachen in jedem Fall mehr Kosten, als wenn die Arbeit von städtischen Kräften durchgeführt werden würde. Das sind Ausschreibungen, die locker in der Höhe von einem, 5, 10, 15 Jahresgehältern Arbeitgeberbrutto pro Jahr liegen.
Diese Ausschreibungspraxis ist für uns nichts anderes als eine schleichende Privatisierung.
Und was bei den Ausschreibungen überhaupt nicht berücksichtigt wird, sind die Betreuungsleistungen der städtischen Kräfte, die bei Ausschreibungen anfallen. Städtische Mitarbeiter müssen, zum Beispiel am Marktplatz Rheydt, den Firmen, die den Zuschlag bekommen, zuarbeiten leisten. Die wenigen Kräfte, die in dem Bereich noch sind, müssen Betreuungsleistungen erbringen, die nicht vergütet werden. Und somit steht ihnen noch weniger Zeit zur Verfügung, ihre eigentlichen Arbeiten zu erledigen.
Das nur intern ausgeschrieben werden soll, ist ein weiteres Unding. Wie soll jemand vom Grünflächenamt Anträge bei der Grundsicherung oder beim Amt für Altenhilfe bearbeiten. Oder Bauanträge. Dafür müssen sie extern suchen und perspektivisch qualifiziert ausbilden. Da sind wir dann auch bei dem nächsten Punkt. Die Ausbildungsquote ist zu gering. Sie muss erhöht werden. Das würde die Glaubwürdigkeit der Kommune stärken. Sie kann nicht von anderen fordern, was sie selbst nicht macht.
Unsere Alternative ist, mit mehr Personal in bestimmten Bereichen mehr Einnahmen zu erzielen. Dezernat VI wäre so ein Bereich.
Die Fachbereiche Umweltschutz und Entsorgung, Grünflächenamt, Friedhofsamt. Wir plädieren für eine Rekommunalisierung der GEM und der Bildung eines Eigenbetriebes Grün und Entsorgung, in der die vorher aufgeführten Fachbereiche einschließlich des Bauhofes integriert werden.
Dies würde Arbeitsplätze in diesem Bereich sichern, zu Neueinstellungen führen, eine verbesserte Grünpflege bewirken, die Gebühren senken und insgesamt zu mehr Einnahmen führen. Weil u. a. auch Aufträge eingeworben werden können.
EWMG
Ich will an dieser Stelle auch auf die EWMG eingehen, weil die Einbringung von Grundstücken HSK-Maßnahme war.
Hier stellt sich die Frage, ob sich die Kosten für Leistungen, die die EWMG entsprechend der Gründungsphilosophie für die Stadt erbringt, noch lohnen. Das ist eine wirtschaftliche und eine politische Frage. Wirtschaftlich zahlen wir drauf. Das wird immer an dem Punkt deutlich, wenn es um die außerplanmäßige Bereitstellung von Haushaltsmitteln beim Produkt 015 040 010 geht. Da geht es um den Verlustausgleich bei der EWMG. Wir haben immer gefordert, dass die Wirtschaftlichkeit der EWMG, auch unter dem Aspekt des politischen Nutzens untersucht werden soll. Wir sind froh, dass nun ansatzweise eine solche Untersuchung durchgeführt wird.
Ich will an dieser Stelle nicht die eigentliche Arbeit der MitarbeiterInnen der EWMG kritisieren. So weit ich das feststellen kann, machen die eine gute Arbeit. Es geht darum, ob wir uns das leisten können. Die EWMG hat feste Personalkosten. Wenn nicht genügend Grundstücke über Einlagen oder Geschäftsbesorgung in die EWMG eingebracht und verkauft werden, dann bleiben die Personalkosten bei sinkenden Umsätzen, was zu einem höheren Verlustausgleich führt.
Nur Grundstücke sind endlich. Und aus unserer Sicht ist es nicht unbedingt erstrebenswert immer mehr Land zu Bauland zu entwickeln. Die Stadt ist schon versiegelt genug. Nachhaltigkeit wäre in diesem Bereich, neue Flächen für Bauen und Gewerbe aus dem vorhandenen Bestand zu entwickeln. Dafür benötigen wir als erstes die Initiative in der Politik. Und ob nicht danach das Liegenschaftsamt die Arbeit der Vermarktung genauso gut bei geringeren Kosten machen kann, dass muss eben untersucht werden.
Unsere Alternativen zu „Etwas besseres als den Tod“:
Eintreten und klagen für die Beseitigung des strukturellen Defizits der Kommunen.
Einnahmen generieren anstelle beim Personal sparen.
Strukturen überprüfen.
Dem wird dieser Haushalt und der bisherige politischen Zielsetzung der Mehrheit in diesem Rat nicht gerecht.
Aus diesem Grund werden wir gleich mit Nein stimmen.
Reden anderer Fraktionen:
Die Rede von Herrn Schlegelmilch (CDU) finden sie hier.
Noch während der Ratssitzung wurde seine Rede "bildlich" Umgesetzt und in den Sozialen Netzwerken verbreitet. So hieß es "er könne sich zwar zum feiern einen Einschenken, aber er sieht sich selbst als Feuerwehr". Und die Kröte, die er schlucken musste war selbstverständlich mit im Bild:
Hier finden sie die Rede von Herrn Beine (SPD).
Auch diese Rede wurde noch während der Sitzung illustriert und über Twitter verbreitet. So hieß es "Beine sucht sein Stück vom Kuchen" ... und die zu schluckende Kröte war auch wieder dabei:
Alle weiteren Reden, zum Beispiel die beeindruckend kurze Rede der FWG, hat die Online-Zeitung "MG-Heute" zusammengestellt. Da heißt es zum zugehörigen Artikel unter anderem "Lediglich Helmut Schaper von den Linken zeigte deutlich auf die vielen Risiken, die Kämmerer Bernd Kuckels (FDP) in den Haushalt eingebaut hat."