In der Haushaltsrede geht es um ein abgewandeltes Marx Zitat um deutlich zu machen, dass nur an kleinen Stellschrauben gedreht wird, das kapitalistische System aber keine echten Veränderungen zum wohle der Menschen zulässt.
Haushaltsrede Ratssitzung 14.12.2022
Torben Schultz
Es zählt das gesprochene Wort. Sicher wurden in eckigen Klammern gefasste Teile während der Rede weg gelassen, werden aber zu Protokoll gegeben. Es gab aber kleine, weitere Einlassungen zu voran gegangenen Reden.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
vor 8 Jahren hielt ich meine erste Haushaltsrede und startete mit einem Zitat von Karl Marx:
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert,
es kommt drauf an, sie zu verändern.“
Dieses Zitat wandelte ich:
„Die Finanzpolitiker haben die Haushalte nur anders ausgeschmückt,
es kommt drauf an, sie zu verändern.“
Wie in keinem Jahr zuvor passt dies Zitat nun wieder.
Ob Vorgabe der Verwaltung oder Änderungsliste der Ampel, sie alle haben einiges gutes im Haushalt untergebracht, weswegen wir in einzelnen Fachausschüssen zustimmten oder uns enthielten.
Trotzdem fallen wichtige Dinge raus.
Nicht weil sie für unnötig gehalten werden, sondern weil sich der Haushalt an die kapitalistische Logik der Finanzierbarkeit halten soll. Es fehlt der Mut den Haushalt grundlegend zu verändern.
Da ist zum Beispiel die aufsuchende Krankenpflege, besser bekannt als Straßensozialarbeit für Obdachlose Frauen. Ein Projekt, dass durch das Land finanziert erfolgreiche Arbeit machen konnte. Mit vergleichsweise geringen Mitteln könnte es kommunal fortgeführt werden. Und so zündet die CDU öffentlichkeitswirksam ein Feuerwerk der Entrüstung, verschweigt aber, dass sie im Land genau diese Finanzierung hätten sichern können. Es ist aber leichter aus der lokalen Opposition heraus auf die Mehrheitsfraktionen zu zeigen, als die eigene Partei im Land zur Verantwortung zu ziehen. Und seien sie sich sicher:
Wäre die CDU lokal in der Mehrheit, dann hätte sie genau wie die Ampel dies Projekt fallen lassen. Und wenn nicht dieses, dann ein anderes dringend nötiges.
Ob in Land oder Kommune, ob CDU oder Ampel, es wird nicht geschaut, was nötig ist, sondern es wird entschieden was raus fällt.
Und eine Sache die raus fällt, über die – wie wir aktuell im Sozialausschuss erleben mussten – am liebsten gar nicht geredet wird, ist die Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Diese werden zur Zeit in Acht-Bett Zimmern in Notunterkünften, dem ehemaligen Impfzentrum am Nordpark, untergebracht. Gemeinschaftsräume? Fehlanzeige! Bildungsangebote, gerade Sprachkurse? Mehr Schein als Sein.
Betreut werden sie von täglich wechselnden Personal verschiedener freier Träger der Jugendhilfe. Paralleldienste, selbst bei jungen und unerfahrenen Kolleginnen, werden nicht bezahlt. Das notdürftige Büro zunächst ohne Telefon. Die Kaffee-Maschine wurde ab vom Etat der Stadt organisiert.
Im Rahmen des Asylgesetzes könnte das alles vielleicht noch durchgehen, aber wir sind zum Glück verpflichtet Minderjährige nach dem Kinder und Jugendhilfegesetz zu versorgen. Denn nur so können junge Menschen die von ihrer Heimat entwurzelt und von der Familie getrennt sind eine Chance auf eine Zukunft bekommen.
[Natürlich können wir sagen, das ist Landesangelegenheit und nicht dem kommunalen Haushalt geschuldet. Wir können auch sagen, mit Geld alleine bekommen wir noch keine Fachkräfte.
Wir müssen aber feststellen, dass der jetzige Anstieg der Fallzahlen absehbar war.
Und] In diesem wie auch in den vorherigen Haushalten gab es dafür keine Mittel. Nicht weil Land oder Kommune, nicht weil CDU oder Ampel, es für unnötig hält.
Sondern weil es nach ihrer Logik nicht finanzierbar ist.
Und wir können das weiter durch deklinieren.
Dem Arbeitslosenzentrum fehlt noch immer eine dauerhaft gesicherte Finanzierung für die übernommene, gar beauftragte, Quartiersarbeit.
Um das zu kaschieren werden wir dann später in der Sitzung ein kleines, einmaliges Weihnachtsgeschenk beschließen.
Die Schulen sind marode und es fehlt an Platz.
Um das zu kaschieren werden wir heute noch den Schulentwicklungsplan beschließen und sogar die von uns Linken immer geforderte siebte Gesamtschule.
Ausgeblendet wird aber, dass nicht das gemacht wird, was nötig ist, sondern nur das, was aus baurechtlichen Gründen wie Brandschutz unausweichlich ist. Statt wirklich mehr Raum zu schaffen, wird über Multifunktionsräume auf die Doppelnutzung gesetzt. So heißt es entweder Ganztagsbetreuung oder Individuelle Förderung nach dem Unterricht. Für beides ist kein Platz. Und die Gesamtschule kommt nur, wenn Fördergelder fließen, mehr als die Planung um diese zu beantragen ist nicht vorgesehen.
Das vom damaligen SPD Fraktionsvorsitzenden und heutigem Oberbürgermeister versprochene kommunale Programm „Gute Schule“ lässt weiter auf sich warten. Zur Erinnerung, es geht um Felix Heinrichs Haushaltsrede im Jahr 2016, in der er versprach die mindestens 8,7 Millionen, die die GroKo aus der Landesförderung für Schulen zweckentfremdete, nachzureichen.
[Auch der Bericht der GMMG im Sommer diesen Jahres offenbart ein Trauerspiel. Benannt wird ein desolater Zustand fast aller Gebäude, der den fehlenden Mitteln in der Vergangenheit geschuldet ist und so nun deutlich teurer wird. Gleichzeitig wird geschildert, dass auch jetzt nur das unausweichliche gemacht werden kann und so die Folgekosten erneut steigen werden.]
Die Liste des nötigen, aber angeblich nicht finanzierbaren ist unendlich lang.
Da versagt der Haushalt 2023 genauso wie alle Haushalte zuvor.
Und deswegen sagte ich, dass die Haushalte nur verschieden ausgeschmückt wurden.
Es werden einzelne Leuchtturmprojekte geschaffen um sich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Wir akzeptieren Leuchttürme aber nur in ihrem ursprünglichem Sinne, so wie beim Sicherheitskonzept:
Als Warnung vor Klippen und als Anlaufpunkte für Menschen in Not.
Nun werden sie fragen, wie wir denn den Haushalt im Sinne des Marxschen Zitats verändern wollen? Da bitte ich sie, schauen sie doch auf die real existierende Verschuldung und wie sie angestiegen ist. Es ist doch kein Geheimnis, dass die Corona und Ukraine Isolationen nicht weg, sondern nur vertagt sind.
Parallel dazu explodieren die Banken förmlich vor Geld.
Einige wenige sind in der Krise immer Reicher geworden.
Aktiennotierte Konzerne zahlen Rekord Dividenden.
Die Boni in den Manageretagen sprudeln weiter.
Deutschland ist und bleibt ein reiches Land.
Das Geld ist nur falsch verteilt.
Mit großem Reichtum geht große Armut einher.
Als Kommune haben wir nicht die Stellschrauben in der Hand, diese Ungerechtigkeit zu ändern. Aber wir müssen die Gängelung durch Bund und Land nicht akzeptieren.
Lassen sie uns klar sagen: Der Zwang zum Ausgeglichenen Haushalt, so wie die Schuldenbremse im Land, ist eine Zukunftsbremse! Notwendige Investitionen werden verhindert.
[Geschlossene Schwimmbäder und Bibliotheken, fehlende oder marode öffentliche Verkehrsmittel, unterfinanzierte Schulen, fehlende Sozialarbeit sind schon jetzt die Folge. All das wirkt sich besonders verheerend auf die Lebensqualität von Menschen mit geringerem oder keinem Einkommen aus, denn sie sind stärker auf eine funktionierende öffentliche Infrastruktur angewiesen.]
Diese Politik – egal welche Mehrheit gerade bestimmt - wird damit begründet, dass der nächsten Generation nicht zu viele finanzielle Schulden hinterlassen werden sollen.
Dabei wissen wir, was wir jetzt an Sanierungen schieben, kostet am Ende mehr.
Was wir jetzt an der Bildung sparen, fehlt uns schnell an ausgebildeten Kräften.
Soziale Probleme die wir jetzt nicht lösen, fliegen uns Morgen um die Ohren.
Satt finanzielle Schulden hinterlassen wir so den Scherbenhaufen des niX-Tun:
Kaputte Sozialsysteme, kaputte Umwelt, eine kaputte Kommune.
Deswegen sagte Marx:
Nicht interpretieren, Verändern!
Dieser Haushalt verändert aber nichts, deswegen lehnen wir ihn als ganzes ab.
Wir freuen uns aber auf die Fortsetzung, die schon im Sommer folgen wird, wenn ein Nachtrag beschlossen werden muss um den Bau des viel zu teuren Rathaus unter zu bringen. Wir sind gespannt wie sie dann über „Schulden machen“ denken.
Dabei waren wir nie gegen ein neues Verwaltungsgebäude mit vernünftigen Arbeitsplätzen. Wir sind nur gegen die unnötig teure Umsetzung auf drei Baufeldern, die dazu noch städtebaulich ein großer Fehler ist.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.